IT-Outsourcing-Provider erfolgreich wechseln
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IT & Management Consulting, IT-Sourcing, Sourcing Transition & Transformation
Zehn Managementfähigkeiten für erfolgreiche Transitionen und Transformationen
Transitionsprojekte, bei denen IT-Outsourcing-Provider (ITO) gewechselt werden, sind höchst komplex, ressourcenintensiv, anspruchsvoll und riskant. Üblicherweise hat der ITO-Kunde wichtiges Wissen an den aktuellen Provider ausgelagert. Der neue Provider verfügt zu Beginn der Transition noch nicht über die erforderlichen Kenntnisse, um die benötigten IT-Dienstleistungen zu erbringen. Daher sind beide Parteien, ITO-Kunde sowie neuer Provider, abhängig von der Unterstützung des aktuellen Providers. Dieser hat jedoch oft keinerlei Interesse daran, den ITO-Kunden und den neuen Provider für eine erfolgreiche Transition zu unterstützen. Untersuchungen und Erfahrung zeigen, dass für erfolgreiche Transition zehn Managementfähigkeiten erforderlich sind. Diese zehn Managementfähigkeiten sind in Abbildung 1 dargestellt.
Projektmanagement
Transitionen bei Providerwechseln können nur mit einem durchdachten Projektmanagementansatz erfolgreich gemanagt und abgeschlossen werden. Für den Kunden ist es eine besondere Herausforderung, ein Projekt zu managen, bei dem alle drei Parteien (Kunde, neuer Provider und aktueller Provider) verschiedene Ziele verfolgen. ITO-Kunden müssen sicherstellen, dass zu Beginn der Transition detaillierte Liefergegenstände definiert werden. Daraus ergeben sich jedoch Schwierigkeiten für alle Beteiligten, da es üblicherweise tausende von Projektliefergegenständen gibt. Das heißt, dass nicht alle Ergebnisse in der Anfangsphase der Transition detailliert definiert werden können. Die definierten Erfolgs- und Abnahmekriterien müssen von allen drei Parteien verstanden und akzeptiert werden. Die Geschäftskontinuität muss bei der Transition das übergeordnete Erfolgskriterium sein. Die Projektplanung ist vom ITO-Kunden sowie dem neuen Provider gemeinsam zu erstellen und muss alle entscheidenden Projektliefergegenstände enthalten sowie deren Zusammenhänge aufzeigen. Es besteht das Risiko, dass der aktuelle Provider sich aus dem Transitionsprojekt zurückzieht, sobald sein Vertrag ausläuft – unabhängig davon, ob noch Support benötigt wird oder nicht. Der Kunde muss die Kosten des ITO-Wechsels managen, da Providerwechsel derart komplex sind, dass mit unvorhergesehenen Kosten zu rechnen ist. Durch mangelhaftes Management können diese Kosten so hoch ausfallen, dass der Wechsel des ITO-Providers aus geschäftlicher Sicht nicht mehr vertretbar ist.
Wissenstransfer
Der erfolgreiche Wissenstransfer vom aktuellen zum neuen Provider ist nicht nur für die erfolgreiche Transition von entscheidender Bedeutung. Wird das identifizierte Schlüsselwissen nicht wie erforderlich an den neuen Provider übermittelt, ist damit zu rechnen, dass dieser die IT-Dienstleistungen, zu welchen er sich vertraglich verpflichtet hat, nicht erbringen kann. Dieses führt wiederum zu Schwierigkeiten für das Geschäft des ITO-Kunden, da Geschäftsabläufe nicht im nötigen Maße von der IT unterstützt werden. Wissen kann auf verschiedene Art und Weise an den neuen Provider transferiert werden, beispielsweise durch die Übermittlung von Dokumenten, Schulung durch den aktuellen Provider, Work Shadowing und den Transfer von wichtigen Experten. Allerdings ist hierfür zu klären, ob der aktuelle Provider Work Shadowing zulässt oder zur Schulung von Mitarbeitern des neuen Providers bereit ist. In vielen Fällen ist mit Diskussionen hinsichtlich geistigen Eigentums zu rechnen. Das Konfliktpotential bezüglich geistigen Eigentums ist möglichst früh zu ermitteln und zu lösen, da dieses die Transition verlangsamen oder ganz unterbrechen kann. Mitunter versuchen Provider, geistiges Eigentum zu sehr hohen Preisen zu veräußern. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass der aktuelle Provider möglicherweise eine feindliche Strategie verfolgt. Die Hauptschwierigkeit beim Wissenstransfer besteht darin, dass häufig eine große Menge komplexer Informationen erfolgreich innerhalb kürzester Zeit transferiert werden muss. Dies setzt voraus, dass der neue Provider über die nötigen Kapazitäten verfügt, um übermittelte Kenntnisse schnell aufzunehmen und zu integrieren. Die ideale Voraussetzung für einen Wissenstransfer ist ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis zwischen allen drei Parteien. Es ist jedoch anzunehmen, dass das Verhältnis zum aktuellen Provider durch die Vertragskündigung beeinträchtigt ist. Es ist allerdings auch bei einem gestörten Vertrauensverhältnis erforderlich, dass alle drei Parteien eng zusammenarbeiten. Erfahrung und Untersuchungen zeigen, dass Mitarbeiter des aktuellen Providers oft wenig motiviert sind, den Wissenstransfer zu unterstützen, da meist nicht mit Gegenseitigkeit zu rechnen ist. Die mangelnde Motivation wird zudem durch die Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes verstärkt.
Transfer von zentralen Experten
Der Transfer ausgewählter Experten ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Transition, da komplexes implizites Wissen sich nicht einfach übermitteln lässt. Das Wissen, welches innerhalb eines kurzen Zeitraums übermittelt werden muss, ist teilweise derart komplex, dass es sich nicht unabhängig von dem Experten selbst übertragen lässt. Es ist die Aufgabe des ITO-Kunden, diese zentralen Experten zu ermitteln, welche an den neuen Provider zu transferieren sind. Auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse muss der neue Provider entscheiden, ob die ermittelten Experten erforderlich sind. Bei einem Transfer von Experten ist das richtige Timing wichtig, da die Experten in der Übergangsphase oft für beide Provider gleichzeitig tätig sein müssen. Die transferierten Experten müssen schnellstmöglich in die Organisation des neuen Providers integriert werden, damit sie im neuen Kontext arbeiten können. Es besteht das Risiko, dass transferierte Experten Lösungen implementieren, die zur alten Umgebung gepasst hätten, jedoch im Kontext des neuen Providers nicht mehr passen.
Temporäres Multisourcing
Größere Providerwechsel durchlaufen eine Phase des temporären Multisourcings. In dieser Phase erbringen sowohl der aktuelle als auch der neue Provider IT-Dienstleistungen für den ITO-Kunden. Diese Phase ist von höchster Komplexität gekennzeichnet – und diese wird sowohl von ITO-Kunden als auch von neuen Providern oftmals unterschätzt. Die Multisourcing-Phase kann derart komplex ausfallen, dass sogar die Betriebskontinuität gefährdet ist. Daher ist das temporäre Multisourcing mit der nötigen Genauigkeit zu planen. In der Planung zeigen sich oftmals Lücken, die nicht berücksichtigt wurden. Eine typische Lücke ist, dass der aktuelle Provider nicht vertraglich dazu verpflichtet ist, mit dem neuen Provider zusammenzuarbeiten. Es kann daher sinnvoll sein, den bestehenden Vertrag anzupassen, sodass ermittelte Lücken geschlossen werden. Während der Transition muss eine effektive IT-Governance implementiert werden. Diese besteht aus klar definierten und implementierten Rollen und Zuständigkeiten, Ausschüssen und Meetings zur Steuerung der IT. Es ist erforderlich, den Incident-Management-Prozess anzupassen, sodass die besonderen Schwierigkeiten des temporären Multisourcings gemanagt werden können. Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, dass oft Unklarheit darüber besteht, wer im Falle eines Incidents zuständig ist. Oftmals müssen alle drei Parteien (ITO-Kunde sowie beide Provider) zusammenarbeiten, um Incidents zu beheben. Es besteht das Risiko, dass der aktuelle Provider nicht unterstützt und eigene Ziele verfolgt. Für ITO-Kunden ist es wichtig zu verstehen, dass während der komplexen Multisourcing-Phase die vereinbarten Service Level oft nicht zu erreichen sind und auch nicht erzwungen werden können, da häufig nicht klar ermittelt werden kann, wer für die Service-Level- Verschlechterung verantwortlich ist.
Integration des Produktionsteams des neuen Providers
Das Produktionsteam des neuen Providers sollte möglichst früh in die Umstellung einbezogen werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass das Transitionsteam IT-Leistungen und -Prozesse implementiert, die vom Produktionsteam nicht abgedeckt werden können. Die frühe Einbindung des Produktionsteams des neuen Providers ermöglicht es dem neuen Provider, die Kundenumgebung zu verstehen, sodass das Team die IT-Services wie erforderlich erbringen kann. Sämtliche kritischen IT-Serviceprozesse müssen implementiert und verfügbar sein, bevor die IT-Leistungserbringung durch den neuen Provider beginnt. Diese kritischen Prozesse sind Incident Management sowie Change- Management und Konfigurationsmanagement. Sind diese Prozesse nicht in erforderlichem Maße verfügbar, ergeben sich daraus ernsthafte geschäftliche Probleme. Bevor verantwortliche Teammitglieder des Transitionsteams die Transition verlassen dürfen, ist sicherzustellen, dass ein strukturierter Übergabeprozess an das Produktionsteam des neuen Providers stattfindet.
Erfahrene externe Projektressourcen
Transitionen zu einem neuen Provider sind äußerst ressourcenintensiv und bergen viele potenzielle Fallstricke, die ernste geschäftliche Schwierigkeiten für den ITO-Kunden bedeuten können. ITO-Kunden verfügen häufig nicht über die Ressourcen, um derartige Projekte stemmen zu können. Es kann daher hilfreich sein, erfahrene externe Projektressourcen zur Unterstützung des ITO-Kunden heranzuziehen. Allerdings können externe Kräfte nicht alle Aufgaben übernehmen. Manche Aufgaben erfordern Kenntnisse und Erfahrung der internen Organisation des ITO-Kunden. Daher müssen ITO-Kunden kritisch abwägen, welche Aufgaben durch externe Kräfte bewältigt werden können. Der Vorteil erfahrener externer Ressourcen ist deren Erfahrung mit vergleichbaren Situationen und das Wissen um typische Stolperfallen, sodass eine Unterstützung des ITO-Kunden bei einer erfolgreichen Transition ermöglicht wird. Vielfach unterschätzen ITO-Kunden den Umfang der notwendigen Ressourcen und die benötigten Fähigkeiten.
Vertrauen
Ein Vertrauensverhältnis zwischen allen drei Parteien vereinfacht alle Vorgänge. Man muss allerdings damit rechnen, dass der aktuelle Provider die Vertragskündigung als Vertrauensbruch deutet. Besteht kein Vertrauensverhältnis zum neuen Provider, kann dies zu einer Situation führen, in der der neue Provider sein gesamtes Handeln rechtfertigen muss. Dies kann die gesamte Transition erheblich verlangsamen und Zusatzkosten verursachen. Andauerndes Misstrauen kann für alle Beteiligen äußerst frustrierend sein. Untersuchungen und Erfahrungen zeigen, dass manche Provider Strategien verfolgen, die eine Schädigung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem neuen Provider und dem Kunden zum Ziel haben. Daher ist es erforderlich, dass der ITO-Kunde systematisch Vertrauen fördert.
Eskalationsmanagement
Zu jedem Providerwechsel gehören drei Parteien mit verschiedenen oder leicht abweichenden Zielen. Providerwechselprojekte sind davon geprägt, dass der aktuelle Provider einen Kunden verloren hat und der neue Provider noch nicht über die nötigen Kenntnisse verfügt, um erforderliche IT-Dienstleistungen zu erbringen. Zusätzlich ist der neue Provider abhängig von der Unterstützung des aktuellen Providers. Während der Transitionsphase können Service Level häufig nicht eingehalten werden. Daraus können Konflikte entstehen, die wiederum zu Rechtsstreitigkeiten werden können und im schlimmsten Fall zu einer gescheiterten Transition führen. Um dies zu vermeiden, ist eine umfassende Eskalationsstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Wo möglich, ist eine Deeskalation von Konflikten anzustreben, um negative Auswirkungen auf Beziehungsverhältnisse zu vermeiden und benötigte Ressourcen freizugeben.
Projektkommunikation (Kommunizieren von Veränderungen)
Ein Providerwechsel bedeutet, dass vieles (Verträge, Prozesse, Service Level, Provider, Kosten, etc.) sich fortlaufend ändert oder angepasst wird. Solche Veränderungen resultieren häufig in Frustration und Unzufriedenheit bei allen Beteiligten. Mit einer angemessenen Kommunikationsstrategie sollte der Kunde erwartete Veränderungen und Anpassungen kommunizieren. Der ITO-Kunde sollte maßgebliche Veränderungen innerhalb seines Unternehmens kommunizieren, sodass Mitarbeiter wissen, was auf sie zukommt. Wo absehbar ist, dass Service Level reduziert werden, sollte dies proaktiv kommuniziert werden.
Transitionsstrategie
Eine Transitionsstrategie ist immer mit dem Ziel zu entwickeln, dass die Umstellung managebar bleibt und die Komplexität reduziert wird. Große ITO-Transitionen benötigen in der Regel einen phasenbasierten Ansatz. Bei der Entwicklung der Strategie ist es wichtig, dass zwischen Transition und Transformation unterschieden wird. Wenn beide Begriffe unterschieden werden, dann bedeutet Transition, dass Services in der derzeitigen Betriebsart (CMO – current mode of operations) transferiert werden. Transformation bedeutet, dass Services direkt in die zukünftige Betriebsart transformiert werden. Es ist wichtig, festzulegen, welche Leistungen in den CMO transferiert werden und welche Leistungen direkt in den FMO transformiert werden. Die gleichzeitige Umstellung zu vieler Leistungen auf den FMO kann riskant sein.