Die drei wichtigen Vs der Selbstorganisation: vertrauen, verantworten, versprechen

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In der selbstorganisierten Unternehmenswelt wird nach meinem Weltbild Verantwortung nicht von „oben“ nach „unten“ übertragen, sondern freiwillig und bewusst von den Verantwortlichen übernommen. PULL statt PUSH würde man mit den Vokabeln der Agilität sagen. Häufig höre ich von klassischen verantwortlichen Vorgesetzten dabei, dass sie nicht glauben, dass ihre Untergebenen wirklich alle Aufgabe „pullen“ würden, wenn sie sie nicht mit mehr oder weniger leichtem Druck dazu auffordern würden. Ich halte das Anweisen von Aufgaben in der Wissensökonomie tatsächlich für überholt, siehe hierzu auch meinen Blogartikel vom 11.1.21 - Wenn Du als Führungskraft Anweisungen geben willst - kauf Dir besser einen Hund.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal die Wikipedia Definition von Verantwortung verdeutlichen. „Ver-ant-wor-tung. Verantwortung ist im Allgemeinen die Übernahme der Verpflichtung, für die möglichen Folgen einer Handlung oder einer getroffenen Entscheidung einzustehen und gegebenenfalls dafür Rechenschaft abzulegen oder Strafen zu akzeptieren.“ Das setzt nach meiner Interpretation eine vollständige Freiwilligkeit voraus. Alles andere fühlt sich nach Gewalt und Machtmissbrauch an.

Vorgesetzte müssen also lernen, darauf zu vertrauen, dass Ihre Mitarbeiter freiwillig und intrinsisch motiviert Verantwortung übernehmen wollen. Und sie müssen vertrauen lernen, dass die Verantwortung übernehmenden Personen dann auch die Aufgaben weitgehend selbstorganisiert erledigen dürfen. Das gilt gleichermaßen für Regel- wie auch für Projektaufgaben.

Kommen wir zum dritten wichtigen V-Wort, zu Versprechen. Dieses Wort mag etwas angestaubt daherkommen, ich halte es in einem Umfeld der Selbstorganisation jedoch für sehr relevant. Wenn Menschen Aufgaben „pullen“ und damit signalisieren, dass sie Verantwortung übernehmen, geben sie insbesondere dem Team und auch dem Vorgesetzten ein Versprechen. Sie sagen „Ihr könnt darauf vertrauen, dass ich diese Aufgabe ernst nehme und mit aller Kraft versuche, die zugesagten Inhalte vereinbarungsgemäß und zeitgerecht zu liefern. Ich mache den Fortschritt transparent und werde bei erkennbaren Abweichungen gegensteuern. Wenn das Gegensteuern nicht gelingt, werde ich dies frühestmöglich verdeutlichen und um Unterstützung bitten.“

In einem System von Selbstorganisation und intrinsisch motivierter Verantwortungsübernahme ist wenig Platz für „Opfer“. Opfer übernehmen nicht Verantwortung, sondern klagen an ohne damit etwas zu bewirken. Opfer haben (subjektiv) recht, Verantwortliche gestalten.

Dieser radikale Appell nach Selbst-Verantwortung mag für viele mächtige Manager ein wenig weltfremd scheinen. Ich kenne jedoch einige Unternehmen, bei denen diese Prinzipien selbstverständlich und erlebbar sind. Voraussetzung dafür ist ein klares und für alle attraktives Zielbild. Dies gilt für die Gesamtorganisation, für jedes Projekt und für jeden Organisationsbereich. Wenn sehr viele Mitarbeiter die Zielbilder kennen und zu ihren eigenen machen, ist Verantwortungsübernahme aus Überzeugung möglich. Und damit komme ich zu einer ganz wichtigen Führungsaufgabe. Führungskräfte sind dafür verantwortlich, dass die Zielbilder klar und attraktiv sind. Wenn dies gelingt, ist das Übertragen von Verantwortung nicht erforderlich. Sie können darauf vertrauen, dass die Mitarbeiter intrinsisch motiviert Verantwortung übernehmen und damit ein Versprechen abgeben.

Ich wünsche Euch viel Erfolg mit den drei Vs  

Uwe Rotermund

Chief Empowerment Officer

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